Die Bestandsaufnahme ist ein zentraler Bestandteil in der Planungsphase von Bauprojekten – sei es bei Neubauten auf bereits bebauten Grundstücken, bei Sanierungen, Umbauten oder Modernisierungen. Sie bildet die tatsächliche Grundlage für alle weiteren Planungs- und Bauentscheidungen. Doch was genau wird bei einer Bestandsaufnahme dokumentiert, wer ist dafür verantwortlich und warum ist sie so wichtig? Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick.
Was ist eine Bestandsaufnahme im Bauwesen?
Die Bestandsaufnahme im Bauwesen bezeichnet die systematische Erfassung und Dokumentation des vorhandenen Zustands eines Grundstücks, Gebäudes oder Bauwerks. Dabei wird sowohl der bauliche, technische, rechtliche als auch topografische Zustand erfasst – je nach projektumfang in unterschiedlicher Tiefe.
Sie kann rein visuell erfolgen oder mithilfe von modernen Messmethoden wie Laserscanning, Fotogrammetrie oder 3-Vermessung. Am Ende entsteht entsteht ein umfassendes Abbild des Ist-Zustands, das die Basis für Planung, Genehmigungen oder Kalkulationen bildet.
Warum ist eine Bestandsaufnahme so wichtig?
Ein sorgfältige Bestandsaufnahme sorgt dafür, dass:
- keine Überraschungen während der Bauphase auftreten,
- Planungsfehler vermeiden werden,
- Der Bestand korrekt bewertet und in neue Planungen integriert werden kann,
- Behörden genehmigungsrelevante Unterlagen erhalten,
- Bestandspläne, Ausführungspläne oder Gutachten auf gesicherten Daten basieren.
Gerade bei Altbauten kann das Fehlen einer verlässlichen Bestandsaufnahme zu kostspieligen Fehlern oder Bauverzögerungen führen.
Was wird bei einer Bestandsaufnahme dokumentiert?
1. Baulicher Zustand
- Maße und Geometrien (Wandlängen, Raumhöhen, Öffnungen, Treppen etc.)
- Wandaufbauten und Deckenstärken
- Tragende und nichttragende Bauteile
- Fenster- und Türpositionen
- Dachformen, Neigungen, Gauben, Dachaufbauten
- Feuchtigkeitsschäden, Risse, Setzungen
- Baukonstruktionen (z. B. Mauerwerk, Holz, Beton)
2. Technische Gebäudeausstattung (TGA)
- Heizungsanlage (Typ, Standort, Baujahr, Leistung)
- Sanitärleitungen (Verläufe, Material, Zustand)
- Elektroinstallation (Verteiler, Leitungsverläufe, Schalter, Steckdosen)
- Lüftungssysteme oder Klimaanlagen
- Brandmeldeanlangen oder Klimaanlagen
3. Vermessung & Lage
- Lage des Gebäudes auf dem Grundstück
- Grenzabstände, Höhenanlage, Höhenniveaus
- Treppen- und Geländeprofile
- Anschlüssen an Nachbargebäude oder Grundstücke
Moderne 3D-Laserscanner erfassen diese Daten millimetergenau und liefern Punktwolken, aus denen digitale Bestandsmodelle (BIM) erstellt werden können.
4. Bausubstanz & Materialien
- Wandmaterialien (Ziegel, Naturstein, Lehm, etc.)
- Dämmungen, Abdichtungen
- Oberflächenqualitäten (Putz, Anstrich, Belag)
- Statikrelevante Bauteile – z. B. Stützen, Unterzüge
Oft sind zusätzliche Untersuchungen wie Bohrkerne, Feuchtemessungen oder Materialproben nötig, um die Substanz richtig bewerten zu können.
5. Rechtlicher Bestand
- Baugenehmigungen, Bauakten, Pläne
- Baulastenverzeichnis
- Altlasten oder Denkmalschutz
- Grenzverläufe und Eigentumsverhältnisse
- Erschließungssituation (Zufahrten, Leitungen)
Wer führt die Bestandsaufnahme durch?
Je nach Projekt führen unterschiedliche Fachleute die Bestandsaufnahme durch:
- Architekten und Bauingenieure – insbesondere bei Umbauten oder Sanierungen
- Vermessungsingenieure – bei präziser Lagevermessung oder Grundstücksaufmaß
- Gutachter und Sachverständige – zur Beurteilung von Schäden oder Bausubstanz
- TGA-Planer – für technische Ausrüstung
Bei größeren Bauprojekten arbeiten dieser Gewerk oft gemeinsam, um ein vollständiges Bild zu erhalten.
Bestandsaufnahme bei verschiedenen Bauprojekten
1. Altbau & Sanierung
Hier ist die Bestandsaufnahme oft besonders aufwendig, weil:
- Pläne fehlen oder nicht mehr aktuell sind,
- Verdeckte Mängel (z. B. Schimmel, Feuchtigkeit, Holzschädlinge) vorhanden sein können,
- statische Besonderheiten (z. B. alte Decken oder gemischte Bauweisen) berücksichtigt werden müssen.
2. Anbau oder Umbau
Die Bestandsaufnahme zeigt, wo angesetzt werden kann, z. B.:
- Anschlussdetails für neue Bauteile
- Tragfähigkeit bestehender Fundamente oder Wände
- Möglichkeiten für neue Installationen
3. Gewerbeimmobilien / Halle
- Hier stehen oft auch Nutzflächen, Höhen, Zugänglichkeiten und Fluchtweg im Fokus
- Technische Anlagen müssen dokumentiert werden (z. B. Kranbahnen, Maschinenfundamente)
Digitale Methoden & Dokumentation
Moderne Technologien:
- 3D-Laserscanning
- Drohnenvermessung
- Fotogrammetrie
- Thermografie
- BIM-fähige Modellierung
Typische Dokumente:
- Bestandspläne (Grundrisse, Schnitt, Ansicht)
- Aufmaßprotokolle
- Fotodokumentation
- Schadenskataster
- Technische Datenblätter / Herstellerinfos
- Materialanalysen und Gutachten
Fazit: Bestandsaufnahme ist Planungsgrundlage Nr. 1
Ob Umbau, Sanierung, Erweiterung oder Bewertung – eine vollständige und fachgerechte Bestandsaufnahme ist unverzichtbar, um ein Projekt erfolgreich zu planen und umsetzten. Wer hier sorgfältig arbeitet, spart Zeit, Geld und Nerven in späteren Phasen. moderne Technik erleichtert die Arbeit erheblich, ersetz aber nicht den geschulten Blich von Fachleuten